interview

piccolen* stellt nachhaltige und fair produzierten Kindermode her.

Interview mit piccolen* - nachhaltig, zeitlos, schlicht

September, 2020

Lena ist eine bezaubernde Mutter einer kleinen Tochter und stellt wundervolle Kindermode aus Bio-zertifizierten Stoffen her. Sie hat sich auf das Nähen von zeitloser, schlichter, möglichst geschlechtsneutraler Kinderkleidung spezialisiert. Mit Ihrem liebevollen Label piccolen* möchte Sie nachhaltige, schadstofffreie Einzelstücke erstellen, die Kinder mitwachsend begleiten können und in denen sie einfach gemütlich sie selbst sein können. In jedem einzelnen Kleidungsstück steckt jede Menge Liebe. Von Lena für Uns genäht, in Ihrer kleinen Nähhöhle in Düsseldorf. Im Interview nimmt Lena uns hinter die Kulissen Ihres tollen Labels:

Photo: piccolen*

Was hat Dich dazu bewegt, Dein eigenes Label piccolen* zu gründen?

Als wir bzw. unsere Tochter im Februar letzten Jahres überraschend und kurzfristig einen Platz bei unserem Wunschtagesvater angeboten bekommen hat, stand ich sehr plötzlich vor der Frage, wie es nach 1,5 Jahren Elternzeit eigentlich beruflich bei mir weitergehen sollte. Ich verspürte keinerlei Motivation mich meinem eigentlichen Abschluss nach zu orientieren (ich habe einen Master in Psychologie, aber nie als Psychologin gearbeitet). Das, was ich wirklich wollte und worauf ich permanent Lust hatte, war wieder mehr zu nähen und zwar nicht mehr nur für meine Tochter oder mich, sondern für viele weitere Menschen. Unsicher, ob diese Idee neben den vielen anderen Kinderkleidung-machenden-Menschen irgendwie bestehen könnte, bzw. ob es mir gelingen würde, Kleidung zu produzieren, die nicht nur mir, sondern auch anderen Menschen ausreichend gefallen könnte, entschied ich mich spontan trotzdem dazu, es einfach mal zu probieren und dem Ganzen ein paar Monate Probezeit zu geben. Sollte in der Zeit niemand etwas bestellt haben, hätte ich mich immer noch der Psychologie oder anderen Dingen widmen können. Das war der Startschuss für piccolen*.

Photo: piccolen*

Welche Idee und Philosophie steckt hinter der Gründung Deines Labels? Wofür steht der Name?

Mir war von Anfang an klar, dass die ganze Sache für mich nur funktionieren konnte, wenn ich zu 100% hinter meiner Kleidung stünde, auch auf die Gefahr hin, so eine eventuell kleinere Zielgruppe zu bedienen. Ich wollte mir und meinen Idealen treu bleiben und das bedeutete für mich: alle meine verwendeten Stoffe sind ohne Ausnahme bio-zertifiziert, es gibt keine wilden, saisonal wechselnden Muster und Prints, viele Schnitte sind mitwachsend und so ein längerer Begleiter als manch andere Kinderkleidung, die nur ein paar Wochen passt. Vor allem aber verstehe ich meine Kleidung als geschlechtsneutral und es liegt mir sehr am Herzen, dass jedes Kind jede Farbe und jeden Schnitt tragen darf und soll. Vollkommen unabhängig vom Geschlecht.
Als Mutter einer Tochter, die beinahe täglich für einen Jungen gehalten wird, meist, glaub ich, bloß weil ihre Kleidung keine rosa Rüschen hat oder sie über ihren kurzen Haaren auch noch eine Kappe trägt, habe ich viel darüber nachgedacht, wie absurd ich es finde, dass die meisten Menschen meinen, aufgrund von Äußerlichkeiten das Geschlecht eines Kindes oder noch weiter gegriffen eines Menschen direkt identifizieren können zu müssen, wenn es doch eigentlich nur darum gehen sollte, dass jedes Kind sich so frei und individuell wie möglich entwickelt und auch bezüglich Farben und Kleidungsstücken seinen eigenen Geschmack von innen heraus entwickeln können sollte, ohne von außen ein „diese Farbe ist für Mädchen und diese für Jungs und überhaupt sollten Jungs keine Röcke tragen und Mädchen dies und das nicht“ vorgelebt und auferlegt zu bekommen.
Meine Kleidung bei piccolen* soll also für Kinder sein, für die Kleinen, nicht speziell für Jungen oder Mädchen. Und genau das drückt auch der Name des Labels aus. „i piccolini“ heißt auf Italienisch, der Sprache, die mir aus verschiedenen Gründen besonders am Herzen liegt, „die ganz Kleinen“. Ein Wortspiel aus meinem Namen „Lena“ und den „ganz Kleinen“ und das Ganze dann noch ohne geschlechtsspezifische Endung, dafür mit Sternchen: das ist „piccolen*“.

Photo: piccolen*


Was waren Deine Impulse faire Kindermode herzustellen und wie setzt Du Dich konkret für eine nachhaltigere Produktion ein?



Nachdem ich entschieden hatte, meinem Wunsch nachzugehen, Kinderkleidung zu nähen und zu verkaufen, habe ich mich natürlich auch schnell damit auseinandersetzen müssen, dass dieser Wunsch es zwangsläufig mit sich ziehen würde, Menschen zum Konsum anzuregen und zu ermutigen.
Mir war sehr schnell klar, dass ich nicht nur kein Teil davon sein wollte, was die Fast Fashion Industrie Mensch und Umwelt tagtäglich antut, sondern ein weiteres kleines Puzzleteil in der Slow und Fair Fashion Bewegung werden musste. Und das nicht nur, indem ich mir nicht geschützte Begriffe, wie zum Beispiel "Nachhaltigkeit" auf die Fahne schreibe, weil sie gut klingen und ankommen, sondern mit Hilfe von bewussten Materialentscheidungen wirklich handle und an jeder mir möglichen Stelle dazu beitrage piccolen* so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Denn nur weil etwas in den eigenen vier Wänden von dir selbst produziert wurde, ist es, meiner Meinung nach, nicht automatisch fair und nachhaltig. Eine Kundentäuschung, die einem häufig im Bereich der kleinen Handmade-Shops begegnet. Und so reichte es mir nicht vielleicht irgendwie ein bisschen auf Stoffe zu achten oder mir selbst faire Arbeitsbedingungen zu schaffen. Beim Auswählen von bio-zertifizierten Stoffen hört es nicht auf, es fängt dort erst an.
Ich recherchierte und plante und versuchte möglichst alle Aspekte von Nachhaltigkeit miteinzubeziehen. Nur bio-zertifizierte Stoffe, plastikfreie Verpackung aus hauptsächlich recycelten Papieren bzw. neueren Materialien wie Graskarton oder zum Beispiel auch bei Details wie den Etiketten auf Bio-Baumwolle zu bestehen. Stoffreste werden unter anderem zu wiederverwendbaren Abschminkpads verarbeitet, Flyer und Postkarten in einer komplett nachhaltigen Druckerei angefertigt. Und vor allem: viele meiner Schnitte sind durch gekrempelte Beine und Ärmel oder individuell knotbare Träger mitwachsend und so über mehrere Größen hinweg tragbar, da es natürlich immer noch am nachhaltigsten ist, so lange wie irgendwie möglich etwas von einem Kleidungsstück zu haben.
Doch auch nach vielen Stunden und Tagen an Überlegungen und Recherchen fallen mir andauernd noch Dinge ein, die man in kleinen Schritten verbessern kann. Es geht für mich nicht darum perfekt zu sein, sondern sich immer wieder bewusst für die nachhaltigere und ökologisch bessere Möglichkeit zu entscheiden, sobald man die Wahl hat. Und so nach und nach die Baustellen abzuarbeiten, um ganzheitlich, nachhaltig und ökologisch vertretbar sein Unternehmen zu führen.


Photo: piccolen*

Was macht Piccolen so einzigartig und was möchtest Du mit Deinem Label verändern?

Ich bin mir gar nicht sicher, wie einzigartig meine Sachen sind. Aber wie viele andere Labels, die ich bewundere und mag, stecke ich in jedes genähte Stück viel Herz, ihr kauft mit jedem Kleidungsstück ein Stück Lena. Das ist etwas, das ich nie verlieren möchte. Wenn ich darüber hinaus, vielleicht auch mit Interviews wie diesem hier, immer wieder Menschen dazu bringen könnte, ihren Umgang mit Mode zu überdenken und langsam zu verändern oder auch geschlechtsstereotype Farbzuordnungen aufzulockern, fände ich das großartig.


Photo: piccolen*


Wie würdest Du Deinen Stil beschreiben?


Schlicht, fröhlich-bunt ohne kitschig zu sein, zeitlos, geschlechtsneutral.


Welche Materialien verwendest Du? #whatsinmyclothes


Alle meine Stoffe sind wie bereits erwähnt bio-zertifiziert und enthalten ausschließlich oder zumindest in allergrößten Anteilen Bio-Baumwolle. Doch wie auch schon oben erwähnt, gibt es einfach so viele kleine Baustellen, an denen man auf umweltfreundlichere Alternativen zurückgreifen kann, dass es für mich nicht reicht, nur über die Materialien der Kleidung zu sprechen.


Für die Verpackung verzichte ich komplett auf jegliches Plastik. Meine Versandkartons sind zum Beispiel aus Graskarton, einer umweltfreundlicheren Alternative zu klassischer Kartonage, welche zu 35% aus heimischem Gras besteht und zum Beispiel deutlich weniger Wasser und Energie zur Herstellung benötigt. Klebeband, Etiketten und Sticker sind auch alle aus Papier, gedruckt mit Farben auf Wasserbasis, die Klebkraft kommt durch Naturkautschuk anstelle von Klebern mit umweltschädigendem Silikon.


Photo: piccolen*

Wer arbeitet jeden Tag mit viel Leidenschaft an Deiner Vision und stellt die Kleider her? #whomademyclothes


Das bin alles ich. Ich bin (bisher noch) alleine und übernehme alle anfallenden Aufgaben. Ich erstelle den Großteil der Schnitte selbst, wähle die Stoffe, mache die Buchhaltung, nehme Bestellungen entgegen (da ich keinen klassischen Onlineshop besitze, sondern bei mir alle Bestellungen über Email in direkter Kommunikation mit den KundInnen passiert), kommuniziere also sehr viel mit meinen lieben KundInnen, fertige die Kleidungsstücke an und kümmere mich dann um Verpackung und Versand. Bei Märkten, auf denen ich meine Kleidung manchmal zusätzlich zum Online Handel verkaufe, hilft mir mein Mann sehr viel, so hat er beispielsweise meinen kompletten Marktstand nach meinen Vorstellungen gebaut.


Photo: piccolen*

Mit welchen Hindernissen hast Du zu kämpfen?


Ich weiß und erlebe quasi täglich, dass es für stark gemusterte Stoffe, mit Motiven, die in der jeweiligen Saison grade angesagt sind, sowie für geschlechtsstereotypere Kleidung eine unheimlich große Zielgruppe und viele Abnehmer gibt. Und dass es natürlich leichter ist, Stoffe optisch nach seinem Geschmack zu finden, wenn man nicht auf Bio-Zertifizierung etc. achtet. An manchen Tagen, wenn alles nicht so leicht von der Hand geht oder die Zahl der Bestellungen anders aussieht, als ich sie mir zu diesem Zeitpunkt gewünscht hätte, denke ich schon mal: „Mit mehr Mustern, mehr rosa oder einfach irgendwelchen Stoffen könntest du schon im klassischen Sinne „erfolgreicher“ sein“. Doch am Ende komme ich immer wieder darauf zurück, dass ich für mich „erfolgreich“ so definiere, mir selbst und meinen Werten treu zu bleiben und ich über meine vielleicht kleinere Zielgruppe, die dafür aber ein Stück von mir und meinen Ideen in jedem Kleidungsstück erhält, sehr sehr dankbar bin.


Wie sind Deine Pläne für die Zukunft?

Weitermachen, wachsen, lernen, mir treu bleiben.

Vielen lieben Dank für das super spannende Interview. Wer jetzt neugierig geworden ist und die wundervolle, zeitlose Kindermode näher kennenlernen mag, dem lege ich den Online-Shop von piccolen* wärmstens ans Herz!